Ich werde nicht müde zu betonen, dass es für Versicherungsmakler sinnvoll ist, sich auf eine Zielgruppe zu spezialisieren. Wenn ich mir vorstelle, dass jemand in der Woche fünf unterschiedliche Berufsfelder berät, frage ich mich, wie das klappen soll. Es erscheint mir unmöglich, den Arbeitsalltag von zahlreichen Berufen auf dem Schirm zu haben, so dass ich weiß, wonach ich im Anamnesegespräch fragen muss.
Bei Fachmaklern, die sich auf eine bestimmte Versicherungssparte, wie z.B. Berufsunfähigkeit, spezialisiert haben, mag das noch möglich sein, weil die so tief in den Bedingungswerken stecken (sollten), dass die Fragen zur Risikoanalyse spezieller auf die einzelnen Versicherungsbedingungen abgestimmt sind. Oder anders gesprochen, ein Fachmakler sieht bei bestimmten Fragen und Antworten schneller den Zusammenhang zu einzelnen Klauseln. Bestenfalls. Hoffentlich.
Aktuell schreibt die Fachpresse – Artikel vom 20.01.2020 im Versicherungsboten: „Bei Berufsunfähigkeit nicht unrealistisch: Der Chirurg als Pförtner“.
Bei Berufsunfähigkeit nicht unrealistisch: Der Chirurg als Pförtner.
Was soll man dazu sagen? Am besten gar nichts, dachte ich mir zunächst. Irgendwer wird schon in den Kommentaren darauf antworten. Aber dann hatte ich meine Finger um die warme Kaffeetasse geschlungen und die einziehende Wärme drängte mich dazu nun doch die Tastatur zu bemühen und ein paar Sätze zu tippen.
Chirurg als Pförtner: Wie viel davon ist Story?
Was muss man wissen, um zu verstehen?
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) zahlt keine Berufsunfähigkeitsleistungen mehr (Das ist nicht ganz richtig, aber bleiben wir für einen Moment dabei.), sondern nur noch Erwerbsminderungsleistungen.
- Die volle Erwerbsminderungsrente bekommt jemand, der es (aus gesundheitlichen Gründen) kaum schafft drei Stunden täglich zu arbeiten.
- Die halbe Erwerbsminderungsrente wird ausgezahlt, wenn die Person noch zwischen drei und sechs Stunden täglich zur Verfügung steht.
Der Beruf ist dafür unerheblich. Alles was zählt ist die Arbeitskraft und die kann in eine beliebige Tätigkeit gelenkt werden.
Ärztinnen und Ärzte sind allerdings in Versorgungswerken organisiert. Das bedeutet, dass eine Befreiung (Im Regelfall! Selten wird beides bedient.) von der DRV vorliegt. Wenn also eine Ärztin gar nicht in der DRV versichert ist, dann bekommt sie auch nicht mal die halbe Erwerbsminderungsrente. Sie bekommt überhaupt keine Erwerbsminderungsrente aus der DRV. Was ja auch nur zu logisch erscheint, weil sie ja dort auch nicht versichert ist.
Wer seine Hausratversicherung nicht bei der Pfefferminzia (branchenübliches Synonym für eine beliebige Versicherungsgesellschaft) hat, bekommt auch dort keine Leistungen in einem Schadenfall. Wer seine Haftpflichtversicherung nicht bei der Protectura AG (beliebige Versicherungsgesellschaft, um eine Unterscheidung zur Pfefferminzia zu haben) hat, bekommt auch dort keine Leistungen in einem Schadenfall. Logisch.
Die Versorgungswerke kennen den Begriff der Berufsunfähigkeit immer noch. Dort existiert also eine Leistung aufgrund von Berufsunfähigkeit. Es gibt keine Leistung bei Erwerbsunfähigkeit, wie die DRV es definiert.
Versorgungswerke kennen den Begriff der Berufsunfähigkeit noch.
Wie leicht oder schwer man an die Leistung heran kommt, soll jetzt hier nicht besprochen werden, es geht nur darum zu verstehen, dass der Chirurg nicht als Pförtner arbeiten muss, wie der Artikel aus der Fachpresse es darstellt.
Verweisbarkeit in andere Berufsbilder
Es geht um die Verweisbarkeit in andere Berufsbilder, in denen noch eine gewisse Zeitspanne, eben z.B. fünf Stunden täglich, gearbeitet werden kann. Wenn der Chirurg also in der DRV versichert wäre und wenn er aus gesundheitlichen Gründen nur fünf Stunden täglich in der Lage wäre seine Arbeitskraft in einem beliebigen Beruf einzusetzen, müsste er – laut Artikel – in diesem Beruf arbeiten. Und das könnte, wie der Artikel betont, ein Chirurg sein, der aber noch als Pförtner einsetzbar wäre und dann in diesem Beruf arbeiten müsste und keine Leistungen bekommen würde.
Auch das ist sicherlich so nicht korrekt. Da reicht ein Anruf bei der DRV oder ein genaues Studieren der Regelungen zur Erwerbsminderungsrente. Aber auch das wollen wir uns hier jetzt nicht genauer ansehen, sondern nur diese Thematik mit dem Chirurgen, der als Pförtner arbeiten muss. Denn das ist blanker Unsinn.
Der Chirurg als Pförtner – blanker Unsinn!
Wäre der Chirurg gesundheitlich beeinträchtigt und könnte noch höchstens fünf Stunden täglich einer ärztlichen Tätigkeit nachgehen, würde er keine Leistungen aus dem Versorgungswerk bekommen. Wäre er in der DRV versichert, könnte er (versuchen) die halbe Erwerbsminderungsrente beantragen, die er aber wahrscheinlich auch nicht bekommen würde, weil sein Einkommen als Teilzeit-Arzt voll auf die halbe Erwerbsminderungsrente angerechnet werden würde und die DRV-Leistung dann (teilweise) entfallen würde. Wenn ich mich recht entsinne, darf man bei voller Erwerbsminderung rund 6.000 EUR pro Jahr dazu verdienen. Das sind etwa 500 EUR monatlich. Ab dann wird jeder weitere Euro auf die erhaltene Rente angerechnet. Zudem würde die DRV prüfen, ob sich die fünf Stunden tägliche Arbeitsfähigkeit auf eine ärztliche Tätigkeit beziehen, oder ob seine Arbeitskraft generell nur noch fünf Stunden täglich zur Verfügung steht.
Ein Vorteil der Versorgungswerke ist der Berufsschutz.
Der Vorteil des Versorgungswerkes ist der Berufsschutz. Wenn eine Ärztin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist ihren Beruf auszuüben, dann leistet das Versorgungswerk eine Berufsunfähigkeitsrente.
Der Chirurg aus unserem Beispiel würde aber leider durch das Raster des Versorgungswerkes fallen, weil er ja noch in der Lage ist, fünf Stunden täglich einer ärztlichen Tätigkeit nachzugehen…
Fazit: Ohne privaten BU-Schutz sieht es schlecht aus
Das Fazit ist und bleibt – egal, wie man es nun auseinander nehmen möchte – ohne privaten Berufsunfähigkeitsschutz, ohne eine Berufsunfähigkeitsversicherung, sieht es in beiden Fällen nicht rosig für den Chirurgen aus. In der DRV ist er gar nicht versichert und erhält demnach auch dort keine Leistungen und im Versorgungswerk ist er noch nicht beeinträchtigt genug, um eine Leistung zu bekommen.
Und selbst wenn er eine Absicherung gegen die finanziellen Folgen bei Berufsunfähigkeit getroffen hat, stellen sich noch zahlreiche weitere Fragen, z.B. nach der Höhe der zu erwartenden Leistungen und wann das erste Mal gezahlt wird und natürlich (leider) auch, OB überhaupt gezahlt wird. Denn letztlich ist eine Versicherung nur eine Klage-Option.
Eine Versicherung ist letztlich nur eine Klage-Option.
Und in kaum einer anderen Versicherungssparte gibt es so viele unverbindliche Formulierungen, die dafür sorgen (können), dass Leistungen von der Versicherungsgesellschaft zurück gehalten werden. Umso wichtiger ist es, gerade bei einer Berufsunfähigkeitsabsicherung für Ärztinnen und Ärzte, den unabhängigen Rat eines Spezialisten einzuholen, der durch umfassende Anamnesefragen, konzeptionelle Beratung und die anschließende Produktbesorgung, die Chancen erhöht, im Leistungsfall eine Versicherungsleistung zu erhalten.
Wenn Du gerade auf der Suche nach einer Berufsunfähigkeitsabsicherung bist, frag mich doch mal, ob ich Dir so helfen kann, wie Du es brauchst: www.larssteinmann.de
Bleibt gut beraten.